Hinter den sieben Bergen gibts richtig geiles Bier

Die Norweger gehören zu den Nachzüglern der Craftbier-Bewegung. Noch vor zehn Jahren dominierten geschmacklose Massenbiere die Supermarkt-Regale. Alkohol wurde nur am Wochenende und dann in großen Mengen konsumiert.

Braumeister Gahr Smith-Gahrsen war mehrfacher norwegischer Homebrewing-Champion, bevor er bei 7F einstieg.

Einer der Pioniere des guten Geschmacks ist Gahr Smith-Gahrsen, der neben seinem Beruf als Lehrer die Zeit fand, in der heimischen Garage quasi die norwegische Craftbier-Revolution anzustoßen. Smith-Gahrsen hat wiederholt die norwegischen Homebrewers‘ Championships gewonnen und erhielt von der „Norwegian Brewery Association“ den Titel „Beer Hound oft the Year“. Er ist Autor eines norwegischen Standardwerks über Bier – und heute Braumeister einer der erfolgreichsten norwegischen Crafbier-Brauerei. Bei 7 Fjell, was so viel heißt wie Sieben Berge, kann er sich austoben und immer neue leckere Crafbier-Sorten auf den durstigen norwegischen Markt bringen.

Die norwegische Hafenstadt Bergen liegt an sieben Bergen.

Die Sju Fjell umschließen die norwegische Hafenstadt Bergen wie ein Gürtel. Hier hat die gleichnamige Brauerei ihren Sitz – von hier aus vertreibt sie ihre Bierspezialitäten über Supermärkte und Vinmonopolet-Läden im ganzen Land. In Norwegen ist der Alkoholverkauf staatlich geregelt – alles über 4,75 Volumenprozent darf nur in eben diesen Vinmonopolet-Shops verkauft werden. Das gilt natürlich auch für die meisten Craftbiere, die oft deutlich mehr Alkohol haben.

Das Pils von 7 Fjell gibt es auch im norwegischen Supermarkt

Ob die leichteren Sorten im Supermarkt oder die höheren Umdrehungen im Vinomonopolet – wer Norwegen bereist, sollte unbedingt die eine oder andere Dose der leckeren 7F-Biere probieren. Es gibt herrlich malzige Dark Lager, fruchtige IPA’s und Barley-Wine und selbst vom Pils will man unbedingt noch ein zweites oder drittes…

Warum wir mehr Sommeliers brauchen

Wenn es etwas zu genießen gibt, kann man sich mittlerweile fast sicher sein, dass es dafür auch den passenden Sommelier gibt. Wein und Bier sind klar. Brot, Käse, Schokolade sind auch schon fast ein alter Hut. Auch Fleisch, Wurst und Schinken kennt man mittlerweile. Aber Wasser, oder Milch?

Bislang habe ich die Fülle von Sommeliers für eine typische Zeiterscheinung gehalten, für einen Hype, den keiner braucht. Im Gespräch mit mehreren Vertretern dieser neuen Zunft durfte ich dann feststellen, dass sie tatsächlich eine Zeiterscheinung sind – aber eine gute!

Was braucht ein Sommelier? Eine gut geschulte Zunge und Nase, ohne Frage. Jede Menge Fachwissen, damit er seine Kunden mit Geschichten rund ums Produkt begeistern kann. Und da ist das Wort, das meine Meinung über Sommeliers grundsätzlich geändert hat. „Begeisterung“. Wer sich so tief in ein Produkt einarbeitet, dass er Menschen davon überzeugen kann, muss selbst begeistert sein. Vielleicht sogar besessen. Wie jener Niederländer Bas de Groot, der als wohl weltweit einziger Milchsommelier angeblich sogar herausschmecken kann, was die Kuh gefressen hat. Auch um die Feinheiten von Wasser unterscheiden zu können, muss man eigentlich ein wenig irre sein. Positiv gemeint.

Oder, wie es der ehemalige Weltmeister der Biersommeliere, Sebastian Priller-Riegele ausdrückt: „Alles, was dazu führt, dass Lebensmittel wieder mehr geschätzt werden, ist zu begrüßen“. Dem kann ich zustimmen.

Qualität ist eigentlich immer erklärungsbedürftig. Ich brauche jemanden, der mir erklärt, warum die handgeschöpfte Schokolade besser ist als die Tafel aus dem Discounter. Wie viel Arbeit in der Herstellung steckt, wie viel – da ist es wieder – Begeisterung und Liebe.

Metzgermeister gibt es viele. Wenn sie sich zwei Wochen in die Schule setzen, um Fleischsommelier oder Wurst- und Schinkensommelier zu werden, brennen sie für ihr Produkt. Und für ihre Kunden.

Vielleicht findet sich ja sogar ein Wassersommelier der mich davon überzeugt, dass mein selbstgesprudeltes Leitungswasser nicht die Krone des Genusses ist. Wobei – da bin ich eher skeptisch.

 

Kleine Rinder mit großem Geschmack

Im Süden von Berlin ist aus einem Naturschutzprojekt ein echtes Gaumen-Highlight entstanden. Nils-Peter Czaja züchtet auf einem ehemaligen sowjetischen Truppenübungsplatz Zebu-Rinder – und produziert dabei Fleisch von herausragender Qualität.

Zebus, auch Buckelrinder genannt, stammen ursprünglich vom indischen Subkontinent und sind es gewohnt, mit mageren und trockenen Böden zurecht zu kommen. In Zossen grasen sie im „Open-Ranch“-Betrieb auf sandigem Boden und Magerrasen  im Schatten großer Windräder, und bereiten so den Boden für allerlei Insekten wie Erdbienen und -wespen.

Der Ansatz des Züchters ist ungewohnt, aber einleuchtend. Als Diplom-Fleischsommelier will Czaja vor allem optimales Fleisch – und das gibt es nur, wenn es den Tieren richtig gut geht. „Emotionale Tiergesundheit“ ist sein Geheimrezept. „Das bedeutet beispielsweise, dass bei uns die Kälber nicht von den Kühne getrennt werden“, so der Züchter. Die Tiere leben in Familienverbänden zusammen, als komplette Herden aus Muttertieren, Kälbern und Bullen.

Das Fleisch, das Czaja so produziert kommt ausschließlich „Dry-Aged“ in den Handel – und ist dann so zart, dass es auf der Zunge zergeht, wie ich selbst testen durfte. Von Czaja stammt übrigens auch der Zebu-Buckel-Schinken, den ich unlängst probieren durfte und der mich erst auf den Züchter aufmerksam gemacht hat.

Die Zebus, die auf den Wiesen um Zossen stehen, sind keine reinrassigen Zwergzebus mehr, sondern eine Eigenzüchtung, die Czaja „kleinrahmiges Zeburind“ nennt. Denn so gut die Zebus mit dem Boden zurechtkommen, so schlecht bewährten sich die an subtropisches Klima angepassten

Tiere zunächst im harten Brandenburgischen Winter. „Wir hatten Verluste bei den Winterkälbern“, berichtet der Züchter. Das Problem konnte durch Einkreuzung mit einer heimischen Rinderrasse behoben werden. Erfreulicher Nebeneffekt: Die Brandenburgischen Zebus haben einen etwas längeren Rücken und damit mehr Steaks! Ein ausgewachsenes Zwergzebu hat bei Schlachtung nur rund 120 Kilo – im Gegensatz zu 500 Kilo und mehr die ein hiesiges Rind auf die Schlachtwage bringt. Das beeinflusst natürlich auch den Preis des Zebu-Fleisches, der bei rund 50 Euro fürs Kilo liegt.

Und dann durfte ich bei der Reportage noch „Tim Klinge“ kennen lernen, aufsteigender Messerschmied und Sohn von Nils-Peter Czaja. Mit seinen 16 Jahren schleift und schmiedet der Junge Messer, die in der Community der Fleischsommeliers bereits als Geheimtipp gehandelt werden. Da scheint es recht klar, wo die Karriere des jungen Mannes einmal hingehen könnte.

Autor: Fridtjof Atterdal
Journalist, Fotograf
www.atterdal.de

 

 

 

 

Braukunst Live 2019 – Von der Leichtigkeit des Seins

Leichtes Bier rangierte für mich bisher auf einer Stufe mit Tofuwürstchen. War in meiner Genusswelt also quasi nichtexistent. Ein Vorurteil, wie ich auf der „Braukunst Live 2019“ in München erfahren durfte. Die Messe stand in diesem Jahr unter dem Schwerpunkt „Alkoholarme und -freie Biere“. Und was die Szene da zu bieten hat, ist teilweise richtig gut.

Hopfmeister hatte „Servus Sissi“ dabei, eine leichte Helle mit den Hopfensorten Sissi, Aloha und Monroe.  Spritzig, sommerlich, mit 3,5 Prozent Alkohol ein verdammt erfrischendes Bier. Für mich eine echte Alternative, wenn ich einen klaren Kopf behalten will – da geht auch noch ein Zweites.

Crew Republik sind mit ihrem Hop Junkie ihrer Linie treu geblieben – ein Session IPA mit nur 3,4 Prozent Alkohol, aber ganz viel Geschmack. Comet, Galaxy und Chinook sind hier als Hopfen zum Einsatz gekommen – eine leichte Hopfenbombe.

 

Ayinger Leichte Weiße und gleich zwei Hopfen-Königinnen – das ist ein Leben.

So etwas wie der Großvater des leichten Biers kommt von Ayinger – die Ayinger Leichte Bräuweiße gibt es schon seit 20 Jahren, ein obergäriges, hefetrübes Weizenschankbier mit 3,2 Prozent Alkoholgehalt. Die Brauer aus Oberbayern sehen Alkoholfreies als „isotonisches Sportgetränk“, wie Brauereidirektor Helmut Erdmann scherzhaft einen Mitkonkurrenten zitierte, und haben es deshalb gar nicht im Programm. Auch hier habe ich mich überzeugen lassen, leichtes Weißbier kann man trinken.

Eine weiter Erkenntnis für mich auf der Braukunst in diesem Jahr: Die Branche ist im Wandel. Weg, vom hippen Garagenbrauer –  hin zu hervorragend gemachten handwerklichen Bieren für Jedermann. Weg von Hopfen, Hopfen und noch mehr Hopfen – hin zu den althergebrachten Bierstilen, nur wieder mit Liebe und Leidenschaft eingebraut. Vermutlich bleiben dabei einige auf der Strecke, die auf den Craftbier-Zug aufgesprungen sind und jetzt nicht das Zeug dazu haben, weiter mitzuhalten. Der Verbraucher hat Qualität kennen gelernt – und das wird die Zeit hoffentlich nicht wieder zurückdrehen.

Die Braukunst wäre nicht die Braukunst, wenn man dort nicht wieder auf einige bunte Vögel der Branche getroffen wäre. Aus Estland kommt „Tanker“ – ursprünglich klassische Garagenbrauer, die in Tallinn auf hohem Niveau außerordentlich leckeres Craftbier brauen. Inzwischen haben die Esten nach eigenem Bekunden mehr als 70 verschiedene Biere gebraut. Nach einem Glas „Black Stockings“ einem unglaublich malzigen Porter, habe ich mich entschieden, auch noch noch das IPA „Reloaded“ einer genaueren Verkostung zuzuführen. Habe ich gerade etwas über hippe Garagenbrauer gesagt? Vergesst das – die Welt braucht mehr überzeugte Brauer wie die Jungs von „Tanker“.

Und dann war da noch „Heiland“, ein Doppelbocklikör, der mit dem

Slogan „Jesus würde Heiland trinken“ beworben wird. Der Likör  der Zwillingsbrüder Stefan und Max Hofstetter, mit dem nicht allzu dezenten Geschmack nach Vanilleschoten, ist durchaus trinkbar – auch wenn wohl nicht allzu viele hartgesottene Bierfans unter den Kunden sein dürften.

Wenn für Schinken die Worte fehlen

 

Als Genussmensch steht Schinken recht weit oben auf meiner Spezialitätenliste. Das Vokabular, um ein spezifisches Produkt zu beschreiben, ist allerdings noch recht eingeschränkt. Die hauchdünnen Scheiben, die ich in der Fleischerschule Augsburg probieren durfte, haben von mir das Prädikat „verdammt lecker“ erhalten. „Würzig“ und vielleicht „fest“ wäre mir auch noch eingefallen.

Im Schlaraffenland bei der Ausbildung zum Wurst- und Schinken Sommelier.

Josef Weyh, Fleischsommelier und angehender Wurst und Schinken-Sommelier aus Schwabach hat da etwas mehr Worte. Zum „optischen Profil“, was soviel wie „Aussehen“ heißt, weiß er zu sagen, der Schinken ist kräftig pökelrot, gut marmoriert und etwas stumpf. „Olfaktorisch“ riecht er eine „starke Buchenholz Rauchnote“ mit einem Hauch „Zitrone“. Und „gustatorisch“ ist der Schinken bissfest, lieblich und würzig.

Zebu-Buckelschinken – einer der teuersten Schinken der Welt.                 Fotos: Fridtjof Atterdal

Das, worum hier so große Worte gemacht werden, ist übrigens ein Buckel-Schinken vom Zebu oder Buckelrind, der von  Nils Peter Czaja vertrieben wird und den man zum Kilopreis von 599,50 Euro erwerben kann. Auch der Macher soll hier mit einer Beschreibung zu Wort kommen:

„Der Schinken entfaltet bei Zimmertemperatur all sein Charisma. Dann schmilzt das phantastisch samtige Fett sofort auf der Zunge und breitet sich unaufhaltsam aus. Damit wird der wunderbar buttrig-nussige Geschmack des Zebufleisches zu den Geschmacksknospen transportier. Danach schließt man automatisch die Augen, um diesem Genussmoment alle Aufmerksamkeit schenken zu können. Sie werden es fühlen und schmecken“

Angeblich wurde der Schinken vom Chefkoch des Grand Hyatt Berlin zu einem der fünf besten Schinkenprodukte der Welt gewählt. Wie ich schon sagte – verdammt lecker!

Diplom-Fleischsommelier Reiner Reutzel ist Experte für feine Schinken.

Die Verkostung fand im Rahmen der Ausbildung zum Wurst und Schinken-Sommelier in der Fleischerschule Augsburg statt. Fleischermeister aus der ganzen Republik bilden sich hier fort, um in der heimischen Metzgerei die Kunden mit nationalen und internationalen Spezialitäten verwöhnen zu können – und dazu auch etwas zu sagen haben. Der Kurs ist in Deutschland einzigartig. 15.000 verschiedene Sorten Wurst werden in Deutschland produziert und es werden jeden Tag mehr. Dazu kommt eine Vielfalt an nationalen und internationalen Schinkenspezialitäten. In dem zweiwöchigen Lehrgang lernen die Metzger nicht nur alles über die Herstellung von Wurst und Schinken, sondern vor allem auch Geschichten, die sie ihren Kunden erzählen können. Das Programm beinhaltet die Kulturgeschichte der Wurst, Räuchertechnologie, Material- und Tierkunde. Auch Thekenpräsentation und Foodpairing werden behandelt.

Nach Erscheinen des Beitrags haben sich bei mir Assimina Christopoulou und Michael Ehrkamp vom „Gutshof Original“ gemeldet und mir mitgeteilt, dass sie die einzigen echten Zwergzebuzüchter seien, Markenschutz auf ihren Zebuschinken haben und ich demzufolge ein Plagiat gegessen habe. Mein Blog-Beitrag wurde für den Anwalt gesichert. Der Ordnung halber halte ich das hier fest. Da es offenbar noch kein Gerichtsurteil gibt, gehe ich davon aus, Zebu gegessen zu haben – und es war SAULECKER!