Warum wir mehr Sommeliers brauchen

Wenn es etwas zu genießen gibt, kann man sich mittlerweile fast sicher sein, dass es dafür auch den passenden Sommelier gibt. Wein und Bier sind klar. Brot, Käse, Schokolade sind auch schon fast ein alter Hut. Auch Fleisch, Wurst und Schinken kennt man mittlerweile. Aber Wasser, oder Milch?

Bislang habe ich die Fülle von Sommeliers für eine typische Zeiterscheinung gehalten, für einen Hype, den keiner braucht. Im Gespräch mit mehreren Vertretern dieser neuen Zunft durfte ich dann feststellen, dass sie tatsächlich eine Zeiterscheinung sind – aber eine gute!

Was braucht ein Sommelier? Eine gut geschulte Zunge und Nase, ohne Frage. Jede Menge Fachwissen, damit er seine Kunden mit Geschichten rund ums Produkt begeistern kann. Und da ist das Wort, das meine Meinung über Sommeliers grundsätzlich geändert hat. „Begeisterung“. Wer sich so tief in ein Produkt einarbeitet, dass er Menschen davon überzeugen kann, muss selbst begeistert sein. Vielleicht sogar besessen. Wie jener Niederländer Bas de Groot, der als wohl weltweit einziger Milchsommelier angeblich sogar herausschmecken kann, was die Kuh gefressen hat. Auch um die Feinheiten von Wasser unterscheiden zu können, muss man eigentlich ein wenig irre sein. Positiv gemeint.

Oder, wie es der ehemalige Weltmeister der Biersommeliere, Sebastian Priller-Riegele ausdrückt: „Alles, was dazu führt, dass Lebensmittel wieder mehr geschätzt werden, ist zu begrüßen“. Dem kann ich zustimmen.

Qualität ist eigentlich immer erklärungsbedürftig. Ich brauche jemanden, der mir erklärt, warum die handgeschöpfte Schokolade besser ist als die Tafel aus dem Discounter. Wie viel Arbeit in der Herstellung steckt, wie viel – da ist es wieder – Begeisterung und Liebe.

Metzgermeister gibt es viele. Wenn sie sich zwei Wochen in die Schule setzen, um Fleischsommelier oder Wurst- und Schinkensommelier zu werden, brennen sie für ihr Produkt. Und für ihre Kunden.

Vielleicht findet sich ja sogar ein Wassersommelier der mich davon überzeugt, dass mein selbstgesprudeltes Leitungswasser nicht die Krone des Genusses ist. Wobei – da bin ich eher skeptisch.

 

Erde, Triebe und leckere Schweinereien

Wenn im Restaurant Lago am See die Menükarte wechselt, lädt das Team um Sternekoch Klaus Buderath zur Kochwerkstadt in die Showküche des Hotels in der Ulmer Friedrichsau. Im kleinen Kreis kann man den Könnern dort über die Schulter blicken, sehen, wie hochwertigste Lebensmittel in der Spitzengastronomie verarbeitet werden und alle Fragen loswerden, die man einem Kochprofi schon immer mal stellen wollte. Doch nicht nur die kulinarischen Genüsse stehen bei der Kochshow im Mittelpunkt – zu jedem Fachbereich lädt das Lago einen Referenten, der von seiner Passion für Lebensmittel zu berichten weiß.

Viermal im Jahr gibt es im Lago ein neues, an die Jahreszeit angepasstes Menü. Zum Wechsel in den Fachbereich „Erde und Triebe“ verriet Judit Wohlfarth vom Hofgut Silva, wie viel Einsatz es braucht, um das beste Schweinefleisch produzieren zu können. Auf weitläufigen Weidehängen, auf Streuobstwiesen und unter Kastanien wachsen am Rand des Schwarzwaldes in extensiver Freilandhaltung Berkshire und Tamworth-Schweine heran, die dann zu extrem leckeren Produkten wie Räucherschinken, Gewürzspeck oder Blutwurst verarbeitet werden. Wie anders ein mit so viel Hingabe produzierter Schinken schmeckt (vor allem wenn man ihn mit frischem Spargel, jungen Kartoffeln und einer wunderbar sämigen Sauce Hollandaise serviert), konnten die Gäste der Kochshow live erleben.

Dass „Erde und Triebe“ in den richtigen Händen zum Hingucker werden, bewies Klaus Buderath schon bei der Vorspeise – Forelle, Haferwurzel und Erbsentriebe. Die Haferwurzel, die ein wenig an ein hutzeliges Märchenwesen erinnert, schmeckt gegart überraschend nach Topinambur und Schwarzwurzel. Und ebenfalls für viele Gäste neu war, wie saftig und zart eine Forelle schmeckt, wenn sie bei nur 42 Grad gegart wurde.

Eine Reminiszenz an die Hamburger Wurzeln des Kochs war seine Kreation „Scholle, Krabbe, Ei“ – natürlich auf eine Art fernab der nordischen Imbissbudenzubereitung interpretiert. Die „Triebe“ wurden hier mit einer Frankfurter Kräutersauce repräsentiert, der Speck war eine aufwendig gepoppte Schweineschwarte und die Scholle ein nur kurz mit dem Bunsenbrenner angeheiztes Gedicht. Hier gab es wieder einen Trick aus der Küche zu lernen: Das wachsweiche Eigelb entsteht, wenn man ganze rohe Eier einfriert und dann wieder auftauen lässt, verriet Buderath.

Insgesamt hat das Erde und Triebe-Menü sechs Gänge und wird durch einen Nachtisch aus Rhabarber, Erdnuss und Rübenkraut abgeschlossen. Bis zum 31. Mai gibt es das Menü, danach wechselt es zum Fachbereich Feld und Garten.

http://www.lagogenusswerkstaetten.de

Autor: Fridtjof Atterdal
Journalist, Fotograf
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www.atterdal.de