Tasting: Das Aroma von Blumenkohl

Eine Gewürzmischung herzustellen ist klassisches Food-Pairing. Die Bestandteile müssen auf das Gericht abgestimmt sein, dürfen nicht reiben, aber auch nicht langweilig schmecken. Eine Gewürzmischung für eine Blumenkohlsuppe? Ist eine größere Herausforderung als man meinen möchte.

Rote Beeren, Pfeffer und viele andere Gewürze kommen beim Tasting-Seminar zum Einsatz. Fotos: Anna Kondratenko

Beim Gewürztasting von Stefan Settele dreht sich alles um Aroma und Geschmack. Der Tisch im Garten des Traditionsgasthauses ist mit allen nur erdenkliche Gewürzen und Kräutern beladen die darauf warten, verkostet und gemäß ihrem Geschmack kategorisiert zu werden.

Aromen lassen sich grob in Aromagruppen oder Aromafamilien einteilen. Es gibt fruchtig (Zitrusfrüchte, Obst, Südfrüchte), grün (Basilikum, Minze, Tomate, Gurke oder Wassermelone) oder auch blumig (Lavendel, Rose, Honig, Jasmin, aber auch Koriander oder Kardamon). Andere Aromen sind würzig (Nelke, Piment, Vanille oder Tonkabohne), holzig-harzig (Zirbe, Tanne, Wacholder oder Pfeffer), Röstaromen (Kaffe, Brotkruste, Gegrilltes), nussig (Mandeln, Erdnüsse, Bockshornklee), vegetabil (Lauch, Kohl, Radieschen, Spargel) und zuletzt animalisch (Leder, Tierhaare, Stallgeruch). Woran man schon sieht – nicht jedes Aroma muss angenehm sein.

Foto Anna Kondratenko
Fruchtige und grüne Aromen stammen meist von Zitrusfrüchten und Kräutern.

Die Theorie ist einfach – Gleiches passt zu Gleichem. Im Fall des Blumenkohls hat Stefan Settele die Pflanze in kleine Stücke geraspelt und getrocknet. Der Blumenkohlgeruch ist intensiv und irgendwo zwischen vegetabil, blumig und würzig einzuordnen.

Gleiches zu Gleichem ist eine Herangehensweise und führt im Foodpairing zu „Harmonie“. Was allerdings meistens ein wenig langweilig ist. Weshalb es das ergänzende Konzept des „Completings“ gibt – bewusste Kontraste, welche das Gericht spannender machen. Im Fall des Blumenkohlgewürzes wandern nach einigen Diskussionen Kardamon, Muskatnuss, Kubenenpfeffer und Bockshornklee in die Mischung. Abgerundet wird sie mit roten Beeren und Kornblumenblüten. Vermutlich würde man das Gewürz später noch ein wenig verschlanken und die eine oder andere Zutat wieder herauswerfen. Aber für den ersten Versuch ist das Ergebnis überzeugend – und die verfeinerte Blumenkohlsuppe schmeckt auf jeden Fall interessant.

Gewürzsommelier Manuela Mahn: Aroma, Geschmack und Zimtkringel

Das Thema Gewürzsommelier hat Fotografin Anna Kondratenko und mich nicht mehr losgelassen. Nach unserem faszinierenden Besuch bei Gewürzsommelier Stefan Settele sind wir direkt an die Quelle gefahren – nach Kulmbach zur Gewürzexpertin, Gastrosophin, Buchautorin und promovierten Wissenschaftlerin Dr. Manuela Mahn. Selbst jahrzehntelang in der Gewürzindustrie als Beraterin beschäftigt, ist sie eine Quelle an spannenden Informationen rund um Aroma, Geschmack und den richtigen Einsatz von Kräutern und Gewürzen. Wir haben uns im Gewürzmuseum in Kulmbach getroffen, an dessen Entstehung Manuela Mahn als Kuratorin beteiligt war und in dem die Ausbildung stattfindet.

Die Ausbildung zum Gewürzsommelier findet im Deutschen Gewürzmuseum in Kulmbach statt. (Fotos: Anna Kondratenko)

In der Genussakademie in Kulmbach bildet sie Lebensmittelprofis zu Gewürzsommeliers weiter. Die Ausbildung ist exklusiv – in den vergangenen zehn Jahren wurden gerade mal 169 dieser staatlich geprüften Sommeliers ausgebildet. Und fast 20 Prozent der Teilnehmer schaffen die anspruchsvolle Abschlussprüfung nicht.

Wenn man über Essen spricht, fallen die Begriffe „Aroma“ und „Geschmack“. Zumeist synonym verwendet, sind sie doch völlig unterschiedlich, wie wir lernen durften. Um es kurz zu machen – Geschmack entsteht auf der Zunge, Aroma in der Nase.

Auch Kräuter werden in der Ausbildung zum Gewürzsommelier behandelt.

Die Zunge kann nur fünf Geschmacksrichtungen wahrnehmen – süß, salzig, sauer, bitter und umami“ erzählt uns Mahn. Alles andere ist die Wahrnehmung von ätherischen Ölen und anderen flüchtigen Stoffen über den Geruchssinn. „Mit der reinen Geschmackssprache kommen wir oft nicht weiter – stattdessen müssen wir die Aromatik betrachten“ sagt die Gewürzexpertin. „Wir analysieren die Substanzen aus den ätherischen Ölen und beschreiben sie – das gibt uns eine viel genauere Vorstellung davon, wie ein Gewürz tatsächlich schmeckt und wirkt. Die Aromen gehen durch die Nase direkt ins Gehirn und ins Erinnerungszentrum. Das ist oft mit Emotionen verbunden. Der Duft von Zimt weckt Erinnerungen an Advent und Weihnachtsplätzchen – oder in meinem Fall an frisch gebackene „Kanelsnurrer“, leckere Zimtkringel, wie es sie in Norwegen überall zu kaufen gibt.

Manuela Mahn ist übrigens Autorin mehrerer Bücher über Gewürze. Gerade ist ihr neues Buch „144 Gewürze“ im Christian-Verlag erschienen. Das Buch enthält ihr Wissen aus 30 Jahren als Gewürzexpertin und ist auch für Hobby-Köche lesenswert.

Autor: Fridtjof Atterdal
Fotos: Anna Kondratenko
https://www.instagram.com/annakondratenkophotographer/

Gewürz-Sommeliers: Scharfe Typen

Über die Profession des Sommeliers habe ich ja immer mal wieder geschrieben. Ein Sommelier, der sich bislang dem Hype erfolgreich entzieht, ist der Gewürz-Sommelier. Gerade mal 160 Sommeliers hat die Genussakademie Bayern in den vergangenen zehn Jahren ausgebildet – und das, obwohl sich Gewürze und ihre Verwendung in feinen Speisen aus Sicht der Sensorik wie auch der Warenkunde geradezu aufdrängen.

Ein echter Kenner der Materie ist der Augsburger Koch Stefan Settele. Obwohl schon 30 Jahre erfolgreich im Geschäft, hat ihn die Sommeliers-Ausbildung noch einmal zu ganz neuen Geschmackserkenntnissen verholfen, wie er im Interview berichtet.

„Als Koch verwende ich natürlich die meisten Gewürze regelmäßig – allerdings habe ich etliche Kombinationen kennengelernt, die meine Kunst nochmal auf ein neues Niveau heben“, sagt er.

„Salz und Pfeffer, damit hört es bei vielen Zeitgenossen schon auf“, weiß der Koch. Dabei ist die Welt der Gewürze und auch der Kräuter vielfältig und es lässt sich immer wieder etwas neues entdecken. Und selbst über Pfeffer lässt es sich stundenlang diskutieren, wie wir im Interview festgestellt haben. So weiß ich jetzt, dass die roten Körner in den gängigen Pfeffermischungen gar kein Pfeffer sind, sondern Beeren und dass Urwaldpfeffer aus Indonesien eine ganz besondere eigene Schärfe hat.

Sein Wissen gibt Stefan Settele übrigens auch gerne weiter – in eigenen Kursen und Seminaren.

Warum wir mehr Sommeliers brauchen

Wenn es etwas zu genießen gibt, kann man sich mittlerweile fast sicher sein, dass es dafür auch den passenden Sommelier gibt. Wein und Bier sind klar. Brot, Käse, Schokolade sind auch schon fast ein alter Hut. Auch Fleisch, Wurst und Schinken kennt man mittlerweile. Aber Wasser, oder Milch?

Bislang habe ich die Fülle von Sommeliers für eine typische Zeiterscheinung gehalten, für einen Hype, den keiner braucht. Im Gespräch mit mehreren Vertretern dieser neuen Zunft durfte ich dann feststellen, dass sie tatsächlich eine Zeiterscheinung sind – aber eine gute!

Was braucht ein Sommelier? Eine gut geschulte Zunge und Nase, ohne Frage. Jede Menge Fachwissen, damit er seine Kunden mit Geschichten rund ums Produkt begeistern kann. Und da ist das Wort, das meine Meinung über Sommeliers grundsätzlich geändert hat. „Begeisterung“. Wer sich so tief in ein Produkt einarbeitet, dass er Menschen davon überzeugen kann, muss selbst begeistert sein. Vielleicht sogar besessen. Wie jener Niederländer Bas de Groot, der als wohl weltweit einziger Milchsommelier angeblich sogar herausschmecken kann, was die Kuh gefressen hat. Auch um die Feinheiten von Wasser unterscheiden zu können, muss man eigentlich ein wenig irre sein. Positiv gemeint.

Oder, wie es der ehemalige Weltmeister der Biersommeliere, Sebastian Priller-Riegele ausdrückt: „Alles, was dazu führt, dass Lebensmittel wieder mehr geschätzt werden, ist zu begrüßen“. Dem kann ich zustimmen.

Qualität ist eigentlich immer erklärungsbedürftig. Ich brauche jemanden, der mir erklärt, warum die handgeschöpfte Schokolade besser ist als die Tafel aus dem Discounter. Wie viel Arbeit in der Herstellung steckt, wie viel – da ist es wieder – Begeisterung und Liebe.

Metzgermeister gibt es viele. Wenn sie sich zwei Wochen in die Schule setzen, um Fleischsommelier oder Wurst- und Schinkensommelier zu werden, brennen sie für ihr Produkt. Und für ihre Kunden.

Vielleicht findet sich ja sogar ein Wassersommelier der mich davon überzeugt, dass mein selbstgesprudeltes Leitungswasser nicht die Krone des Genusses ist. Wobei – da bin ich eher skeptisch.

 

Erde, Triebe und leckere Schweinereien

Wenn im Restaurant Lago am See die Menükarte wechselt, lädt das Team um Sternekoch Klaus Buderath zur Kochwerkstadt in die Showküche des Hotels in der Ulmer Friedrichsau. Im kleinen Kreis kann man den Könnern dort über die Schulter blicken, sehen, wie hochwertigste Lebensmittel in der Spitzengastronomie verarbeitet werden und alle Fragen loswerden, die man einem Kochprofi schon immer mal stellen wollte. Doch nicht nur die kulinarischen Genüsse stehen bei der Kochshow im Mittelpunkt – zu jedem Fachbereich lädt das Lago einen Referenten, der von seiner Passion für Lebensmittel zu berichten weiß.

Viermal im Jahr gibt es im Lago ein neues, an die Jahreszeit angepasstes Menü. Zum Wechsel in den Fachbereich „Erde und Triebe“ verriet Judit Wohlfarth vom Hofgut Silva, wie viel Einsatz es braucht, um das beste Schweinefleisch produzieren zu können. Auf weitläufigen Weidehängen, auf Streuobstwiesen und unter Kastanien wachsen am Rand des Schwarzwaldes in extensiver Freilandhaltung Berkshire und Tamworth-Schweine heran, die dann zu extrem leckeren Produkten wie Räucherschinken, Gewürzspeck oder Blutwurst verarbeitet werden. Wie anders ein mit so viel Hingabe produzierter Schinken schmeckt (vor allem wenn man ihn mit frischem Spargel, jungen Kartoffeln und einer wunderbar sämigen Sauce Hollandaise serviert), konnten die Gäste der Kochshow live erleben.

Dass „Erde und Triebe“ in den richtigen Händen zum Hingucker werden, bewies Klaus Buderath schon bei der Vorspeise – Forelle, Haferwurzel und Erbsentriebe. Die Haferwurzel, die ein wenig an ein hutzeliges Märchenwesen erinnert, schmeckt gegart überraschend nach Topinambur und Schwarzwurzel. Und ebenfalls für viele Gäste neu war, wie saftig und zart eine Forelle schmeckt, wenn sie bei nur 42 Grad gegart wurde.

Eine Reminiszenz an die Hamburger Wurzeln des Kochs war seine Kreation „Scholle, Krabbe, Ei“ – natürlich auf eine Art fernab der nordischen Imbissbudenzubereitung interpretiert. Die „Triebe“ wurden hier mit einer Frankfurter Kräutersauce repräsentiert, der Speck war eine aufwendig gepoppte Schweineschwarte und die Scholle ein nur kurz mit dem Bunsenbrenner angeheiztes Gedicht. Hier gab es wieder einen Trick aus der Küche zu lernen: Das wachsweiche Eigelb entsteht, wenn man ganze rohe Eier einfriert und dann wieder auftauen lässt, verriet Buderath.

Insgesamt hat das Erde und Triebe-Menü sechs Gänge und wird durch einen Nachtisch aus Rhabarber, Erdnuss und Rübenkraut abgeschlossen. Bis zum 31. Mai gibt es das Menü, danach wechselt es zum Fachbereich Feld und Garten.

http://www.lagogenusswerkstaetten.de

Autor: Fridtjof Atterdal
Journalist, Fotograf
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www.atterdal.de