Gewürzsommelier Manuela Mahn: Aroma, Geschmack und Zimtkringel

Das Thema Gewürzsommelier hat Fotografin Anna Kondratenko und mich nicht mehr losgelassen. Nach unserem faszinierenden Besuch bei Gewürzsommelier Stefan Settele sind wir direkt an die Quelle gefahren – nach Kulmbach zur Gewürzexpertin, Gastrosophin, Buchautorin und promovierten Wissenschaftlerin Dr. Manuela Mahn. Selbst jahrzehntelang in der Gewürzindustrie als Beraterin beschäftigt, ist sie eine Quelle an spannenden Informationen rund um Aroma, Geschmack und den richtigen Einsatz von Kräutern und Gewürzen. Wir haben uns im Gewürzmuseum in Kulmbach getroffen, an dessen Entstehung Manuela Mahn als Kuratorin beteiligt war und in dem die Ausbildung stattfindet.

Die Ausbildung zum Gewürzsommelier findet im Deutschen Gewürzmuseum in Kulmbach statt. (Fotos: Anna Kondratenko)

In der Genussakademie in Kulmbach bildet sie Lebensmittelprofis zu Gewürzsommeliers weiter. Die Ausbildung ist exklusiv – in den vergangenen zehn Jahren wurden gerade mal 169 dieser staatlich geprüften Sommeliers ausgebildet. Und fast 20 Prozent der Teilnehmer schaffen die anspruchsvolle Abschlussprüfung nicht.

Wenn man über Essen spricht, fallen die Begriffe „Aroma“ und „Geschmack“. Zumeist synonym verwendet, sind sie doch völlig unterschiedlich, wie wir lernen durften. Um es kurz zu machen – Geschmack entsteht auf der Zunge, Aroma in der Nase.

Auch Kräuter werden in der Ausbildung zum Gewürzsommelier behandelt.

Die Zunge kann nur fünf Geschmacksrichtungen wahrnehmen – süß, salzig, sauer, bitter und umami“ erzählt uns Mahn. Alles andere ist die Wahrnehmung von ätherischen Ölen und anderen flüchtigen Stoffen über den Geruchssinn. „Mit der reinen Geschmackssprache kommen wir oft nicht weiter – stattdessen müssen wir die Aromatik betrachten“ sagt die Gewürzexpertin. „Wir analysieren die Substanzen aus den ätherischen Ölen und beschreiben sie – das gibt uns eine viel genauere Vorstellung davon, wie ein Gewürz tatsächlich schmeckt und wirkt. Die Aromen gehen durch die Nase direkt ins Gehirn und ins Erinnerungszentrum. Das ist oft mit Emotionen verbunden. Der Duft von Zimt weckt Erinnerungen an Advent und Weihnachtsplätzchen – oder in meinem Fall an frisch gebackene „Kanelsnurrer“, leckere Zimtkringel, wie es sie in Norwegen überall zu kaufen gibt.

Manuela Mahn ist übrigens Autorin mehrerer Bücher über Gewürze. Gerade ist ihr neues Buch „144 Gewürze“ im Christian-Verlag erschienen. Das Buch enthält ihr Wissen aus 30 Jahren als Gewürzexpertin und ist auch für Hobby-Köche lesenswert.

Autor: Fridtjof Atterdal
Fotos: Anna Kondratenko
https://www.instagram.com/annakondratenkophotographer/

Gewürz-Sommeliers: Scharfe Typen

Über die Profession des Sommeliers habe ich ja immer mal wieder geschrieben. Ein Sommelier, der sich bislang dem Hype erfolgreich entzieht, ist der Gewürz-Sommelier. Gerade mal 160 Sommeliers hat die Genussakademie Bayern in den vergangenen zehn Jahren ausgebildet – und das, obwohl sich Gewürze und ihre Verwendung in feinen Speisen aus Sicht der Sensorik wie auch der Warenkunde geradezu aufdrängen.

Ein echter Kenner der Materie ist der Augsburger Koch Stefan Settele. Obwohl schon 30 Jahre erfolgreich im Geschäft, hat ihn die Sommeliers-Ausbildung noch einmal zu ganz neuen Geschmackserkenntnissen verholfen, wie er im Interview berichtet.

„Als Koch verwende ich natürlich die meisten Gewürze regelmäßig – allerdings habe ich etliche Kombinationen kennengelernt, die meine Kunst nochmal auf ein neues Niveau heben“, sagt er.

„Salz und Pfeffer, damit hört es bei vielen Zeitgenossen schon auf“, weiß der Koch. Dabei ist die Welt der Gewürze und auch der Kräuter vielfältig und es lässt sich immer wieder etwas neues entdecken. Und selbst über Pfeffer lässt es sich stundenlang diskutieren, wie wir im Interview festgestellt haben. So weiß ich jetzt, dass die roten Körner in den gängigen Pfeffermischungen gar kein Pfeffer sind, sondern Beeren und dass Urwaldpfeffer aus Indonesien eine ganz besondere eigene Schärfe hat.

Sein Wissen gibt Stefan Settele übrigens auch gerne weiter – in eigenen Kursen und Seminaren.

Warum wir mehr Sommeliers brauchen

Wenn es etwas zu genießen gibt, kann man sich mittlerweile fast sicher sein, dass es dafür auch den passenden Sommelier gibt. Wein und Bier sind klar. Brot, Käse, Schokolade sind auch schon fast ein alter Hut. Auch Fleisch, Wurst und Schinken kennt man mittlerweile. Aber Wasser, oder Milch?

Bislang habe ich die Fülle von Sommeliers für eine typische Zeiterscheinung gehalten, für einen Hype, den keiner braucht. Im Gespräch mit mehreren Vertretern dieser neuen Zunft durfte ich dann feststellen, dass sie tatsächlich eine Zeiterscheinung sind – aber eine gute!

Was braucht ein Sommelier? Eine gut geschulte Zunge und Nase, ohne Frage. Jede Menge Fachwissen, damit er seine Kunden mit Geschichten rund ums Produkt begeistern kann. Und da ist das Wort, das meine Meinung über Sommeliers grundsätzlich geändert hat. „Begeisterung“. Wer sich so tief in ein Produkt einarbeitet, dass er Menschen davon überzeugen kann, muss selbst begeistert sein. Vielleicht sogar besessen. Wie jener Niederländer Bas de Groot, der als wohl weltweit einziger Milchsommelier angeblich sogar herausschmecken kann, was die Kuh gefressen hat. Auch um die Feinheiten von Wasser unterscheiden zu können, muss man eigentlich ein wenig irre sein. Positiv gemeint.

Oder, wie es der ehemalige Weltmeister der Biersommeliere, Sebastian Priller-Riegele ausdrückt: „Alles, was dazu führt, dass Lebensmittel wieder mehr geschätzt werden, ist zu begrüßen“. Dem kann ich zustimmen.

Qualität ist eigentlich immer erklärungsbedürftig. Ich brauche jemanden, der mir erklärt, warum die handgeschöpfte Schokolade besser ist als die Tafel aus dem Discounter. Wie viel Arbeit in der Herstellung steckt, wie viel – da ist es wieder – Begeisterung und Liebe.

Metzgermeister gibt es viele. Wenn sie sich zwei Wochen in die Schule setzen, um Fleischsommelier oder Wurst- und Schinkensommelier zu werden, brennen sie für ihr Produkt. Und für ihre Kunden.

Vielleicht findet sich ja sogar ein Wassersommelier der mich davon überzeugt, dass mein selbstgesprudeltes Leitungswasser nicht die Krone des Genusses ist. Wobei – da bin ich eher skeptisch.